Jef Verheyen

FARBSINN


Wieso der eine Mensch Farbsinn hat, und der andere nicht, weiss ich nicht, aber es ist eine Tatsache, dass man Farbe nicht von Farbsinn trennen kann, wie auch Wort und Sprache unzertrennlich sind. Irgentwie sind Farben sehen und Farbsinn gleich. Für mich sind diese scheinbar so verschiedene Begriffe so eng mit einander verbunden, dass ich nur von einer Art Wechselwirkung reden kann, von einer Tätigkeit wobei die Quantität des eines, die Qualität des anderen wird.
Es ist schon lange bekannt, dass das Licht Wellen und Partikelchen ist, in welchem die Dinge, je nach ihrer spezifischen Reflexien, farbig werden. Warum man aber Blau, Rot uns. wahrnimmt, hat man bisher noch nicht festgestellt. Es ist die Rede von Lichtfrequenz, Farbtemperatur, Schwingungen, welche wir in eine Art von Wärme und Kälte  umsetzen. Es ist mir unbekannt inwiefern das alles stimmt, auf jeden Fall betrifft es aber verschiedene Qualitäten welche wir wahrnehmen.
Qualitäten welche, wenn in bestimmer Quantität vorhanden, für uns etwas bestimmtes darstellen, und nichts anderes. Dass eine bestimmte Farbe ein bestimmtes Gefühl hervorruft, habe ich mit meinen Farbtests gezeigt: Rot wird Blut oder Dynamismus; immer bleibt die Farbe mit dem Existentiellen verbunden, niemals kann man die Farbe trennen von Sinn, Sogar ein Kind kann, bevor es die Farbe benennen kan, Qualitätsunderschiede erkennen, aber wie wird das Farben sehen zum Farbsinn, und wann wird die Farbqualität zum reellen Symbol? Fast jeder sieht Farben, bewusst oder unbewusst, genau oder ungenau. Wieviel Abweichungen es auf diesem Gebiet gibt, weiss ich nicht, aber jede Farbqualität besteht unverändert, obwohl sie vielleicht von jedem Einzelwesen verschieden wahrgenommen wird. Die Lichtfrequenz ist wie si ist und nicht anders, aber vom Sehen zum Erleben, und weiter zur Bewusstwerdung des Erfahrenen läuft ein anderen Weg. Und von der unichromatischen bis zur monochromatischen, von der achromatischen zur panchromatischen Beobachtung läuft wieder ein anderer Weg.

 

Jef Verheyen, 1969.

Jef reads his own text during a worksession with Freddy De Vree to prepare a translation/publication.